Donnerstag, 4. April 2013

Tag der Entscheidung


Tag der Entscheidung

Es ist der 22. Februar. Draußen vor den Türen der Geschäftsstelle der CVJM AG in Kassel schneit es schon den ganzen Tag. Die Uhrzeiger stehen ungefähr auf 17:30 Uhr und ich gucke zusammen mit zehn anderen Bewerbern auf die Tür, welche sich gleich für die Entscheidung öffnen wird. Die Stimmung ist mittlerweile nicht mehr fröhlich sondern angespannt. Zulange – die ersten seit 13:30 Uhr – sitzen wir schon zusammen, unterhalten uns, lernen uns kennen und wachsen als Gruppe zusammen, während immer zwei von uns zum Bewerbungsgespräch gebeten werden. Die Gewissheit, dass mindestens einer von uns nicht genommen werden kann, ist deshalb sehr bedrückend. Für mich sind die mir vorher völlig Fremden längst keine Mitbewerber mehr, sondern Teil eines Teams, mit dem ich unbedingt meinen großen Traum leben möchte.
 Die Tür geht auf. Zwei von uns werden herein gebeten. Ich warte mit den anderen weiter vor der Tür. Wenig später kommen die Beiden nach draußen – niedergeschlagen. Im Vorbeigehen sagt uns einer der Beiden, dass wir genommen sind – sie nicht. Ich gucke in die Gesichter der Anderen. Keiner freut sich. Ich habe grade die Nachricht bekommen, für die ich die letzten Wochen täglich gebetet habe, aber kann mich nicht freuen. Nun werden auch wir in den angrenzenden Raum gelassen. Die Gesichter klaren beim Ein oder Anderen langsam auf, während wir uns nebeneinander in eine Reihe stellen. Und da kommt die Botschaft auch offiziell: Ihr fahrt für ein Jahr nach Peru! Jetzt ist sie auch bei allen endgültig da - die Freude. Es folgen Glückwünsche und Telefonate in die Heimat, doch begriffen habe ich mein Glück noch nicht. 
Wir brechen schließlich auf zum Weltweit-Wochenende der CVJM AG, das eine halbe Autostunde entfernt unserer erster Vorbereitungstermin sein wird. Gestaltet wird das Wochenende vornehmlich von den alten Peru-Volontären, die uns ausgiebig über ihre Erfahrungen berichten und sich jederzeit mit Fragen löchern lassen. Von unseren „Vorgesetzten“, die wir längst duzen, bekommen wir alle weiteren wichtigen Infos und so langsam aber sicher realisiere auch ich, dass Peru nichts mehr im Wege steht. Die ersten Peruaner habe ich indes auch schon kennen gelernt, da auf dem Weltweit-Wochenende auch Deutschland-Volontäre aus Peru, Togo, Kolumbien, Slowakei und der Ukraine vertreten sind. Und, so viel kann ich schon sagen, die offene, spontane und lustige peruanische Art gefällt mir sehr gut. So sind es meist die Peruaner Diego und Victor, die zwischen oder während des Programms, welches unter anderem aus Workshops, Gottesdienst oder Lobpreis besteht, für gute Stimmung sorgen.
 Am Sonntag nach dem Mittagessen beginnt dann leider die Heimfahrt. Meine Euphorie könnte derweil größer kaum sein. Negativer Nebeneffekt: Für die in zwei beziehungsweise vier Tagen anstehenden Abitur-Vorklausuren fehlt mir jegliche Motivation zum Lernen – mit meinem Zeitplan hänge ich eh schon mindestens drei Tage hinterher. Und so holt mich der Schulalltag, spätestens aber die Ergebnisse der Vorklausuren, die, wie zu erwarten war, zum Teil weit hinter meinen Möglichkeiten liegen, auf den Boden der Tatsachen zurück.
 Jetzt aber ist die Schulzeit vorbei und ich habe genug Zeit, neben dem Lernen für das Abi meine wiederkommende Peru-Euphorie freien Lauf zu lassen und die Planung und Organisation für mein Auslandsjahr voran zu treiben.