Meine zweite Zusammenfassung hat etwas mehr Zeit in Anspruch genommen. In den nächsten Wochen gibt es wieder regelmäßiger etwas zu lesen.
Zwei Stunden Sprachschule
und das übliche Mittagessen aus Reiß und Hühnchen liegen hinter mir. Jetzt
sitze ich im Bus und fahre eine gute halbe Stunde ins Zentrum von Lima. Die
Häuserwände auf beiden Seiten sind im Vergleich zu den meisten anderen Gegenden
Limas hoch und wirken eher europäisch. Die Bürgersteige rechts und links von
der großen, viel befahrenden Straße sind voll von Menschen, kleinen Ständen und
Straßenverkäufern. Mittlerweile kenne ich meine Busrouten auswendig, so dass
ich die Fahrten zum Lernen oder Vorbereiten nutzen kann. Heute gucke ich aber
nur aus dem Fenster und hänge meinen Gedanken nach.
Ich bin dankbar gesund zu sein, nachdem ich in den ersten Wochen
nach mehrwöchiger Erkältung und einer Woche Durchfall ziemlich an Kraft, sowie
an Gewicht verloren habe. Dafür geht es mir jetzt umso besser. Ich kann mich
ohne Angst durch die unzähligen und sehr leckeren Straßenstände kosten, Sport
treiben und Abends etwas mit Freunden oder meiner Gastfamilie unternehmen.
Letztere ist ein großes Geschenk für mich und sie hat maßgeblichen Anteil
daran, dass ich mich hier, im nicht sehr grünen Lima, sehr wohl fühle. Auch mit
der Tatsache, dass ich aufgrund meines Spanisch noch nicht so arbeiten kann,
wie ich es aus Deutschland gewöhnt bin, habe ich mittlerweile meinen Frieden
gefunden.
Ich steige schließlich aus,
verlasse die große Straße und gehe auf einer ihrer kleineren Parallelstraßen
zu. Das Bild verändert sich mit jedem Schritt. Ich biege nochmals ab und gehe
auf ein ehemaliges Kino zu. Die letzte Kreuzung vor meinem Ziel. Nun bin ich in
einer kleinen Seitenstraße. Keine Fenster, keine Läden – nur Mauerwerk und
geschlossene Tore. An einem Solchen bleibe ich stehen. Auf einem kleinen
Schild, welches etwas ängstlich wirkend in die Straße hinein ragt, steht: „ACJ“
(`Asociación Cristiana de Jóvenes del Peru` ist der peruanische CVJM). Ich bin
angekommen.
Angekommen bei „Crecemos Felices“ (deutsch: Wir wachsen
glücklich auf). Hier arbeite ich vier Mal die Woche mit Kindern zwischen fünf
und zwölf Jahren, die zwar eine Familie haben, aber dennoch auf der Straße
arbeiten müssen oder mussten. Da die Eltern der Kinder ebenfalls mit ins Boot
geholt werden – es finden unter anderem Elterngespräche statt und es werden
Kleinkredite vergeben, so dass sich die Eltern eine Existenz aufbauen können –
ist es möglich, die Kinder zum Schulbesuch zu verpflichten. Nachmittags
bekommen die Kinder dann bei „Crecemos felices“ die Möglichkeit, ausgiebig zu
spielen, ehe dann die Hausaufgaben und ein kleines Essen anstehen. Wir
Volontären haben die Verantwortung für den christlichen Input (Theater,
Andacht, Lieder, ...) und arbeiten hier mit einer Psychologin und
Sozialarbeiterrinnen zusammen. Ein Mal die Woche begleite ich zudem die
„Crecemos Felices“-Mitarbeiterinnen bei Schul- und Hausbesuchen. Bei den
Hausbesuchen verschaffen sich die Sozialarbeiterinnen einen Eindruck, wie das
Zuhause der Kinder genau aussieht -
Räumlichkeiten, Familienverhältnisse und Herausforderungen, mit denen
die Kinder speziell konfrontiert werden. In den Schulen finden derweil
Gespräche mit den Lehrern statt. Die Besuche helfen mir sehr, das Verhalten der
Kinder besser zu verstehen. So fand ich es beeindruckend, wie
selbstverständlich sorgsam die Kinder mit dem Spielzeug von Crecemos Felices umgehen.
Erst nachdem ich gesehen habe, was die Kinder für eigenes "Spielzeug"
haben, verstehe ich die besondere Wertschätzung. Auch wie wichtig für die
Kinder schon eine einzige Umarmung sein
kann, ist mir erst mit dem Wissen über die einzelnen Familienverhältnisse
richtig klar geworden. Besonders die Lage mit vielen verschieden Vätern in
einer Familie, von denen aber meiner Meinung nach letztlich doch keiner eine
wirkliche Vaterrolle einnimmt, finde ich sehr traurig.
Mir wird schließlich die Tür
von mehreren Kindern geöffnet, die sofort mit mir spielen wollen. Es ist
faszinierend, wie schnell mich manche von ihnen in ihr Herz geschlossen haben
und mit welcher Motivation und Freude sie bei der Sache sind.
Nach etwas mehr als drei
Stunden muss ich dann wieder aufbrechen. Es ist kurz nach sechs Uhr und es
dämmert. Ab nun, so wurde uns immer wieder gesagt, wird es in diesen Straßen
immer gefährlicher.
Meine Jugendgruppe in Independencia beim Ausflug
Mein nächstes Ziel ist der
Hauptsitz der ACJ - ich habe ein Treffen, um eine Andacht vorzubereiten.
Der christliche Input, das ist meine Hauptaufgabe in der Samstags,
im Armenviertel Independencia stattfindenden Jugendgruppe, die eher eine Art
Mitarbeiterschulung ist. Hier habe ich mich von Beginn an wohl gefühlt. Zum
Einen, weil die Arbeit mit Jugendlichen sowie der Inhalt - Spiele, Gespräche, Vorträge, Aufgaben und
Andachten - viel mehr dem entspricht, was ich aus Deutschland gewöhnt bin, zum
Anderen, weil ich hier ein fast gleich altes Mitarbeiterteam habe, mit dem ich
mich super verstehe und das zusammen mit den Jugendlichen für jede Menge Spaß
sorgt.
Ein super Team: Bild links: Meine Mitarbeiterkollegen Andrea und Lionel; Bild rechts: Lionel, Andrea, zwei Teilnehmer und meine Mitvolontärin Caro
Der dritte Teil meiner
Arbeit besteht aus kleinen, gelegentlich stattfindenden Wochenendfreizeiten für
Schulen, auf dem Gelände des ACJ-Hochseilgartens. Obwohl die Arbeit zum Teil
aus 20 Stunden Dauerarbeit bestehen – die Kinder müssen hier, anders als in
Deutschland, im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt behütet werden
- , haben die Freizeiten für mich etwas entspannendes, weil ich in der grünen,
bergigen, schwach besiedelten und circa zwei Autostunden von Lima entfernten
Landschaft in den Pausen richtig abschalten und zur Ruhe kommen kann.
CVJM-Hochseilgarten in Azpitia
Nachdem ich dann auch meinen
letzten Pflichttermin für heute beendet und einen für Peru typischen Obstsalat
zu Abend gegessen habe, gehe ich schließlich zum Sport.
Wieder Zuhause angekommen
lösche ich mein Licht dann zwischen 24 und ein Uhr.